Artworks: Ja!
Open air Klanginstallation in Steinhöfel, Brandenburg, Kunstverein Landkunstleben, 2004
Im Rahmen der Gruppen-Ausstellung 'Seminarium', kuratiert von Christine Hoffmann, 2004
11 Lautsprecher, 4 Stereoverstärker, Computer, ca. 1km Lautsprecherkabel
This installation merged into the Brandenburg landscape. Meadows, trees, a pond surrounded by reeds, bushes and some garden chairs invited the visitors to explore various sounds, to irritate or complemet the visual perception with an acoustical one. Nature sounds that theoretically could be found there, but somewhat exaggerated, sometimes accompanied by stories (like giant frogs next to the pond interrupted by the Frog King fairy tail) or the beautiful singing of the nightingale, a species not at home there anymore.
Sitting down at the table in the center of the installation, you would be at a picknick, if only acoustically. At a different spot a naked loudspeaker lies in the grass, slowly transformed into some kind of strange plant, vibrating sounds, in the course of the installation sinking into the ground.
On the special trail cut through the high grass one does not hear all the sounds at all times. The pace has to slow down, time becoming an essential element. And to give a positive signal in times that seem to be rather rough, the whole meadow merrily shouts out Ja! (Yes!)
Zu der Installation erschien die Ja!-Box
Karton mit Prägung, kaschiert mit schwarzem Leinen, 21 x 21 x 3 cm,
mit vier Mini-Cds, Edition von 100 - mehr
Text erschienen in: Ja. Kursiv Kunstjahrbuch 2009, Wien-München:
Ja!
Das Gras steht fast einen Meter hoch, seit meiner Kindheit bin ich nicht mehr durch so hohes Gras gegangen. Ich lege mich hinein, so weich, höre das Rauschen der Zweige im nahen Wald, Schilf klappert am Rand des Tümpels. Keine Frösche oder Kröten in der Nähe, wenig Vögel heute, ein Hund bellt entfernt, Insekten ma- chen sich bemerkbar. Was kann ich hier erzählen?
Steinhöfel ist eine kleine Gemeinde in der Nähe von Buchholz, gelegen östlich von Berlin, auf halbem Weg nach Frankfurt an der Oder. Brandenburgisches Land, flach, Wiesen, Seen, Wälder, Äcker, Dörfer. Die ge- ografische Entfernung zu Berlin lässt sich mit der gefühlten kaum in Einklang bringen, hier ist eine andere Welt. Aber es gibt den Kunstverein dort, ein feines Unternehmen, dessen Besonderheit darin liegt, ohne feste Unterkunft auszukommen: der Kunstverein besteht aus Landschaft.
Mehrere hundert Quadratmeter stehen mir zur Verfügung, mit allem, was diese Landschaft zu bieten hat: Wiesen, Büsche, Bäume, ein Waldrand, ein kleiner Weiher, ein Traum. Die Wege muss ich mir erst Ausdenken und mit dem Mäher erschließen.
Sommer 2004: nicht nur im Osten Deutschlands gibt es die- se depressive Stimmung. Auch der Westen jammert, stöhnt und klagt, Gründe finden sich offenbar immer, reale wie ausgemalte. 1982 hatte Lawrence Weiner des Deutschen liebste Befindlichkeit in einem Klangstück bestens auf den Punkt gebracht, „I’ve got a case of Deutsche Angst, give me your’s and I’ll give you mine ...“
Ich aber weigere mich, der Lähmung nachzugeben, der Trägheit des heißen Sommers wie dem Komfort des gras- sierenden Selbstmitleids. Meine Klanginstallation soll den fröhlichen Jahrmarkt geben, herauslocken ohne zu lärmen, ein klein wenig irritieren vielleicht und ganz bestimmt eines sein: positiv.
Ja!
Diese Entscheidung, getroffen aus dem Moment heraus, bringt eine erstaunliche Freiheit mit sich. Ich muss diesen Ort natürlich nach wie vor ernst nehmen, darf ihn aber gleichzeitig buchstäblich zu meiner Spielwiese machen. Innen- oder öffentliche Räume verlangen immer nach be- stimmten architektonischen Entscheidungen, kein Laut- sprecher kann einfach in den Raum gestellt werden. In dieser Situation ist mir zunächst nur eines klar: die Laut- sprecher müssen „nackt“ sein, ihrer Gehäuse entkleidet. Damit sie in die Landschaft einsinken können, zuwachsen, sich einfügen ohne sich zu verstecken.
Die Botschaften, Erzählungen, Klänge, die sich der Natur hinzugesellen sollen, entstehen dann frei und assoziativ. Es entsteht ein Parcours, der die Besucher an ver- schiedenen Klangstationen vorbeiführt, die auf den ersten „Blick“ kaum etwas miteinander zu tun haben. Aber hier geht es ja auch nicht um Erkenntnisvermittlung oder Kunstgeheimnis, eher eine freie akustische Aneignung der „Parco dei Mostri“-Geste.
Der erste nicht ganz ernste (aber dann vielleicht doch?) Gedanke ist der einer „Naturverbesserung“. Aus einem Baum tönt einem der betörende Gesang einer Nachtigall entgegen, die in Brandenburg im Prinzip durchaus heimisch ist, aber gerade hier nicht. Und die Situation am Mini-Tümpel schreit geradezu nach den nicht-vorhandenen Kröten, also werden sie akustisch angesiedelt, möglicherweise für diese Breitengrade et- was überdimensionierte Exemplare, dafür umso wirkungsvollere. Und um daran zu erinnern, dass mit etwas Brutalität auch der hässlichsten Unke noch Positives abzugewinnen ist, wird gleich nebenan unter dem Baum die Geschichte vom Froschkönig erzählt, wie er schließlich aus lauter Hassliebe an die Wand geklatscht und da- durch in den Prinzen verwandelt wird.
Die wird Liebe anschließend (oder vorher, je nachdem aus welcher Richtung man kommt) verhandelt, in einem poetischen Text, der den Satz „Ich liebe Dich“ in 100 Sprachen vorkommen lässt, von Baum zu Baum rezitiert von Mann und Frau. Der Pfad führt natürlich zwischen beiden Bäumen durch.
Ganz der düsteren Zeichen konnte ich mich dann doch nicht enthalten. Am Rand des Forstes erfolgt mit Hilfe von Orson Welles der Eintritt in den Deutschen Wald in kolonialer Überhöhung, Joseph Conrads „The Heart of Dark- ness“ in einer seltenen Hörspielfassung aus den 1930er Jahren als Eintritt in den Deutschen Wald. Auf englisch, daher wohl entschärft, und eigentlich sowieso viel zu lang, aber das Raunen wirkt dennoch ...
Besonders gefreut haben mich die Lautsprecher, die dann tatsächlich eine Art eigener Symbiose mit der Wiese gefun- den haben. Angesteuert mit Elementen elektronischer Mu- sik, haben diese im Laufe der mehrere Wochen dauernden Installation individuell reagiert, streng genommen mit De- fekten aller Art. Doch waren diese so charmant, dass sie eine nicht planbare, aber durchaus erhoffte Bereicherung und eine Art heimliche Erweiterung der Arbeit darstellten. Schließlich intonierten sie die Zuspielungen nicht nur son- dern interpretierten diese immer wieder in erratischer Wei- se, manchmal nur als ein deutliches Vibrieren am Boden, als neues temporäres Lebewesen vielleicht.
Zentrales Element der Installation war das Picknick mit Gartentisch und –Stühlen, hier liefen alle Wege zusammen. Allerdings fand dieses ebenfalls nur akustisch statt, die Aufnahme entstand in der Küche eines italienischen Familienbetriebes auf Elba.
Um auch nur Teile der Installation sinnvoll wahrnehmen zu können, bedurfte es einiger Zeit, nichts Neues bei Klangarbeiten. Hörbar waren die einzelnen Stationen nur in unmittelbarer Nähe, akustische Überschneidungen gab es keine. Jeder Besucher hatte sein eigenes Tempo, wurde ab und zu zum Verweilen verführt, zum Umkehren vielleicht, zum Gespräch und mehr noch zum Schweigen und vielleicht ja auch zum Hören.
Aber es ging ja auch darum, eine Art positives Signal zu setzen, ein Zeichen. Und so hat die ganze Landschaft in großer Einigkeit (alle Klangstationen gleichzeitig) etwa alle zehn Minuten deutlich und unüberhörbar ein mehrfaches lautes und fröhliches Ja! ausgerufen.