Seit jeher gilt die Insel als der bevorzugte Ort der Sehnsucht. In Verbindung mit exotischen Motiven wird sie zum Symbol der vielleicht glücklicheren, bestimmt jedoch interessanteren Traumwelt gleich hinter dem Horizont.

Nach Ernst Bloch setzt sich die in der Kindheit erlebte Freude am Rückzug in einen eng begrenzten Raum, der je nachdem zu Burg, Höhle oder irgendeinem anderen Ort der Phantasie werden kann, im späteren Leben fort:  diese 'Verbindung von Enge und schöner Fremde' wird zum Wunschbild der Insel. In der deutschen Literatur des 19.Jahrhunderts übernahm vor allem Tahiti die Rolle des Prototyps ferner Glücksgefilde, zu Anfang unseres Jahrhunderts wurde es darin von Hawaii abgelöst.

Natürlich ist die Insel als Topos fester Bestandteil populärer musikalischer Äußerungen von Operette bis Schlager, ein Bestandteil der Exotica (s.den Text zur Exotica-Nacht). Einerseits bleibt die ursprüngliche Volks- und Kunstmusik meistens völlig unbekannt. Andererseits gibt es Musikformen, die jedem sofort ein Bild vermitteln (Hawaiimusik, Calypso), von denen in der Regel aber kaum jemand Originalversionen gehört hat.

Bei deren Entstehung spielt der wechselseitige Einfluß verschiedener Kulturformen, einheimischer und fremder Traditionen, eine große Rolle. Hawaii bietet ein Beispiel dafür, wie fremdes Kulturgut (z.B. Instrumente wie die Gitarre und damit verbundene Spielweisen) aufgenommen und umgeformt werden kann, dann als neuentstandene Tradition wieder exportiert wird, um schließlich als touristische Erwartungshaltung erneut zurückzukehren.

Die Insel-Nacht bringt Beispiele sowohl traditioneller wie vermischter Formen und ihrer Rezeption in unseren Breitengraden: 'Original und Fälschung'. Die Auswahl der Musik (und der Inseln) erfolgt wie immer rein subjektiv.

Traditionelle hawaiianische Musik, wie auch andere polynesische Musik,  ist in erster Linie Dichtkunst, begleitet von Gesang, Rhythmus und Tanz. Die hawaiianische Musikästhetik legte großen Wert auf die elaborierte Ausdruckskraft der einzelnen, speziell ausgebildeten Künstler, deren Darbietungen einen hohen Grad von Komplexität erreichte (im Gegensatz beispielsweise zur Praktik auf Tonga, wo Komplexität durch die Zusammenstellung großer Gruppen von Nichtspezialisten angestrebt wurde).

Mitte des vorigen Jahrhunderts hatten mexikanische und südkalifornische vaqueros, Cowboys, dazu beigetragen, die Gitarre auf den hawaiianischen Inseln zu popularisieren. Um 1900 gab es dort bereits zwei spezielle Gitarrentechniken: slack key und die Hawaiigitarre. Während die slack key-Spielweise hierzulande fast unbekannt blieb, wurde der Klang, der durch die Bewegung eines kurzen Metallstabes auf den Saiten einer Gitarre hervorgerufen wird, schnell weltberühmt und überall nachgeahmt. Der Auftritt hawaiianischer Entertainer anläßlich der Pacific International Exposition 1915 scheint die Initialzündung für den Erfolg dieser Musik in Amerika gewesen zu sein, 1916 waren die meistverkauften Platten solche mit Hawaiimusik, und nach dem ersten Weltkrieg erreichte die Hawaiimode auch Europa, eine zweite solche Modewelle gab es Ende der 50er. Viele hawaiianische Musiker suchten ihr Glück in Amerika, u.a. auch Joseph Kekuku, der als Erfinder der Hawaiigitarre gilt.

Slack key (ki ho'alu) ist eine Form des Fingerpickings, bei der verschiedene Gitarrenstimmungen angewendet werden (slack key = gelockerte Note, bzw. Saite). Ursprünglich waren diese Stimmungen im Besitz der ohana, der Großfamilie, und wurden wie die Gesänge von einer Generation zur nächsten weitergegeben. In direktem Zusammenhang mit der 1959 massiv einsetzenden Amerikanisierung, als Hawaii 50. Bundesstaat der USA wurde, stand ein deutlicher Niedergang der traditionellen Kultur. Inzwischen findet wieder eine Rückbesinnung auf die eigene Geschichte statt, wovon nicht zuletzt die Musik profitiert, und die slack key Form erlebt derzeit ein großes Comeback.

Calypso

Im Jahr 1883 wurde in Trindad der Gebrauch von Trommeln während des Karnevals verboten, eine Maßnahme, die früher bereits von den Sklavenhaltern Nordamerikas eingeführt worden war, die Kraft der Trommeln und der Rhythmen war ihnen alles andere als geheuer. Hier wie dort förderte dieses Verbot automatisch die Herausbildung einer eigenen Songkultur, in den USA den Blues, auf Trinidad den Calypso. Die Sklaverei war auf Trinidad 1837 abgeschafft worden, und das Trommelverbot während des Karnevals sah man wohl eher als eine Vorkehrung, diesen nicht außer Kontrolle geraten zu lassen, anarchische Elemente waren stets Bestandteil dieses Festes gewesen.

Der Ursprung des Wortes calypso ist unklar, er mag vom venezolanischen caliso abgeleitet sein (aus Venezuela kam auch die Gitarre), oder vom westafrikanischen kaiso. Freie Schwarze und Sklaven hatten seit dem frühen 19.Jahrhundert eigene Musikformen entwickelt, vermischten traditionelle Elemente mit europäischen. Westafrikanischer Tradition könnte auch die belair entstammen, aus der schließlich der Calypso wurde.

Diese Songs behandeln größtenteils aktuelle Themen, soziale und politische Kommentare, der Calypso wurde zu Anfang unseres Jahrhunderts zu einer Art Zeitung. Jedes wichtige Tagesthema wurde berichtet und kommentiert, was heute passierte, war bereits morgen im Radio als Calypso verarbeitet (als die Graf Zeppelin 1929 auf Trinidad zwischenlandete, hatte der Sänger Atila the Hun bereits kurz darauf seinen Bericht darüber im Radio).

Die Rolle des Calypso als vox populi hat sich mit Einschränkungen bis heute gehalten, immer noch haben Text und Aussage einen wesentlich höheren Stellenwert, als in der sonstigen westlichen Popmusik.

Die Calypso Interpreten geben sich gerne martialische Pseudonyme, wie The Executor, The Mighty Bomber, Black Stalin, und natürlich dreht sich ein großer Teil ihrer Songs auch über Mann-Frau Beziehungen. Diese können sehr drastisch und obszön ausfallen, wobei ein unüberhörbarer chauvinistischer (Männer-) Ton vorherrscht (wie z.B.auch auf Jamaica). Musikalisch hat sich der Calypso inzwischen zum soul calypso = soca weiterentwickelt, der Einflüsse der Rockmusik als auch anderer karibischer Formen zeigt, ohne jedoch seinen Ursprung zu verleugnen.

Sailing along the Wailua River: go to Islands playlist

Hawaiian War Chant - Eein kassisches Missverständnis

Die Hawaiianer haben besondere Kategorien von Liebesliedern. Aber es ist wirklich schwierig (besonders für einen Fremden), zu bestimmen, was ein Liebeslied ist, weil es fast unmöglich ist, zu sagen, was kein Liebeslied ist. Die mündliche Literatur ist voller koana, versteckter Bedeutungen, die häufig einen erotischen Charakter haben. Das ist ein Spiel, das alle Hawaiianer spielen, und zwar schneller und geschickter als westliche Psychoanalytiker. (Marshall Sahlins, Inseln der Geschichte, 1985)

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Ein besonders in den USA beliebter hawaiianischer Titel ist der Hawaiian War Chant. Hier findet sich ein schönes Beispiel dafür, was geschieht, wenn die Welt durch die puritanische Brille prüder Missionare gesehen wird, die auch in Polynesien ihr Unwesen getrieben haben. Dazu nochmals Sahlins:

... Die abkühlende Liebesleidenschaft und die dann eintretende friedvolle Stimmung kommen auch in einem anderen berühmten Lied dieser Zeit zum Ausdruck, dessen Titel unterschiedlich übersetzt wurde: 'Um uns herum sprüht es' oder 'Du und ich, und dann ein Ausbruch'. Die letzte Formulierung erklärt aber nur unzureichend, warum das Lied heute den Touristen als ein hawaiianisches Kriegslied (Hawaiian War Chant) dargeboten wird. Das operative Wort huahua'i, 'hervorbrechen' oder 'sprühen, spritzen' bedeutet auch 'sexueller Höhepunkt':

Um uns herum sprüht es (huahua'i) - Welche Freude, wir zwei zusammen, - Umarmen uns fest in der Kühle ...

Hawaiian War Chant im Temporary Soundmuseum

The 50 Guitars of Tommy Garrett, 50 guitars visit Hawaii, 1962
Jonnie Aluani, Hawaiian interlude
Frank Chacksfield and his Orchestra, Hawaii, 1967
Martin Denny, Quiet village, 1959
Tommy Dorsey Orchestra, The fabulous arrangements of Tommy Dorsey in hi-fi
Webley Edwards, Webley Edwards presents the Hawaii Calls Show
Spike Jones: Ta-Hu-Wa-Hu-Wai (Hawaiian War Chant)
The Kahalas, Songs of Hawaii
The Kilima Hawaiians, Farewell Hawaii
Enoch Light and The Light Brigade, Persuasive percussion volume 3, 1960
Arthur Lyman, Authentic hawaiian favourites
Al Kealoha Perry, Hawaii calls, Favourite instrumentals of the islands
Billy Vaughn And His Orchestra, Blue Hawaii

see also: Exotica